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  • Marleen Tigersee

Tamara de Lempicka





Sie mögen es mondän, enigmatisch, außergewöhnlich, ein bisschen frivol und haben auch einen ausgeprägten Sinn fürs Ästhetische? Dann wäre vielleicht die folgende Dame etwas für Sie, die ich Ihnen gerne vorstellen möchte: Tamara de Lempicka.


Wann sie genau geboren ist und wie es letztendlich zu den vielen Begegnungen kam, die sie zu der berühmten Künstlerin gemacht haben, die sie zeitlebens schon war, wird wohl ein Geheimnis bleiben, denn die „Baronesse with a brush“, wie sie von vielen genannt wurde, liebte es mysteriös. Obgleich sie stets von Warschau als ihrer Geburtsstadt erzählte, kam sie aller Wahrscheinlichkeit nach aus Moskau. Ihre wohlhabende Familie war in die russische Metropole ausgewandert und lebte dort in einem ansehnlichen Stadtpalais mit vielen Bediensteten. Tamara hatte schon früh einen Hang zu dramatischen Auftritten. Mit ihrer Großmutter reiste sie bereits als junges Mädchen nach Paris, eingekleidet in mondäne Roben des Modeschöpfers Paul Poiret, lauschte in Cafés den Gesprächen junger Kunststudenten oder sah sich Auftritte des Ballet Russe an. Ihr Diabolo-Spiel vor den Toren der Casinos in Monte Carlo, in die ihre Großmutter gerne ging, für die sie selbst aber noch zu jung war, muss so aufsehenerregend gewesen sein, dass sie infolgedessen sogar einen Heiratsantrag bekommen haben soll. Als sie in den 1910ern den dandyhaften Rechtsanwalt Tadeusz Lempicki auf einem Kostümball in St. Petersburg kennenlernte, war sie als Bauernmagd verkleidet, begleitet von einem Paar lebender Gänse.


Künstlerisch begabt war Tamara schon früh. Als ihre Eltern sie mit zwölf Jahren einmal porträtieren ließen, war sie vom Werk des Malers so enttäuscht, dass sie, in der Überzeugung es selbst schon besser zu können, ihr erstes Porträt anfertigte, das ihrer Schwester Adrienne. Besonders großen Eindruck auf sie müssen außerdem die zahllosen Besuche in den bekanntesten Museen Italiens mit besagter Großmutter auf einer ihrer gemeinsamen Reisen gemacht haben. In vielen ihrer späteren Werke spiegeln sowohl die Maltechniken als auch die üppigen Körperformen der Akte den Stil der italienischen Renaissance-Maler wider.


Tamara und Tadeusz heirateten um das Jahr 1915 herum (so genau weiß man es nicht), bekamen eine Tochter (Kizette) und lebten ein paar unbeschwerte Jahre in St. Petersburg, bis die russische Revolution sie zwang, nach Paris zu flüchten. Plötzlich mittellos geworden, blieb der jungen Familie nichts übrig, als sich in einem schäbigen Hotelzimmer einzumieten. Während Tadeusz mit Depressionen zu kämpfen hatte, nahm Tamara nun ihr Schicksal selbst in die Hand. Sie versetzte die letzten Schmuckstücke, die sie noch aus Russland retten konnte, um Malstunden bei André Lhote davon zu bezahlen, in der Hoffnung, durch ihr Talent bald für den Unterhalt der Familie sorgen zu können. Nach und nach gelang es den Lempickis wieder auf die Füße zu kommen, auch durch die Unterstützung von Tamaras Familie, die ebenfalls nach Paris emigriert war und durch gute Verbindungen mit einer großen französischen Bank bald wieder an alten Wohlstand anknüpfen konnte. Tamara begann zunächst Stillleben und Porträts ihrer Tochter Kizette zu malen, die sie immer wieder neu in Szene zu setzen wusste. Sie machte so schnell Fortschritte, dass sie schon Anfang der 1920er Jahre ihre ersten Bilder über die Galerie Colette-Weil verkaufte und im berühmten Salon des indépendents und im Salon d'automne ausstellte.


Die Ehe der Lempickis geriet nun langsam in die Krise, Tadeusz hatte große Schwierigkeiten, mit den veränderten Lebensumständen zurechtzukommen und versank weiter in Lethargie, während sich Tamara tagsüber in den Künstlercafés aufhielt, um Kontakte zu knüpfen und dann bis in die Nacht hinein wie besessen an ihren Gemälden zu arbeiten. Wenn sie nicht malte, streifte sie durch die Vergnügungsviertel der Stadt. Doch nicht nur glamouröse Etablissements zogen sie an, hin und wieder konnte man sie auch in verrufenen Kneipen antreffen, meist auf der Suche nach künstlerischer Inspiration oder einer neuen Liebelei, denn mit der Treue nahm es die Malerin nicht immer so genau, ebenso wenig mit dem Geschlecht ihrer Eroberungen. Wenn Tamara ein Mensch gefiel, wollte sie diesen malen oder auch verführen, denn von Schönheit wurde sie stets wie magisch angezogen. Wenn ihr so ein Mensch begegnete, zögerte sie nicht lange und sprach diesen direkt an, ob es sich dabei um eine Prostituierte handelte (La belle Rafaela), um einen Polizisten (Adam and Eve) oder um jemanden, der vor ihr in der Oper saß (Group of Four Nudes), spielte dabei keine Rolle.


Mit Tamaras Karriere ging es weiter steil bergauf. Auf einer ihrer Ausstellungen im Salon des Tuileries und im Salon des femmes peintres wurden Journalisten des berühmten Modemagazins Harpers Bazaar auf ihre Arbeiten aufmerksam, was ihr weitere Aufträge (unter anderem Autoporträt – Tamara im grünen Bugatti, das wahrscheinlich bekannteste ihrer zahlreichen Werke) und Ausstellungen wie in Mailand 1925 bescherte. In der italienischen Metropole lernte sie den Schriftsteller Gabriele d'Annunzio kennen, mit dem sie eine jahrelange komplizierte Freundschaft unterhalten sollte. Sie wollte ihn malen, er sie verführen, was sie allerdings ablehnte, da sie sich äußerlich nicht von ihm angezogen fühlte.

Tamara de Lempickas vielleicht berühmtestes Bild "Autoporträt - Tamara im grünen Bugatti"

Ende der 1920er Jahre ließen sich Tamara und Tadeusz scheiden. Obwohl beide sich schon stark voneinander entfernt hatten, überwand die Künstlerin diese Trennung niemals ganz. Für eine Auftragsarbeit besuchte Tamara 1929 zum ersten Mal die Vereinigten Staaten, genau im Jahr des berüchtigten Börsencrashs, den sie dort auch miterlebte. Trotz dieser weltweiten Krise blieb Tamara auch in den 1930er Jahren gefragt und durfte unter anderem den spanischen König Alfonso XIII von Spanien porträtieren. Privat fand Tamara in dem ungarischen Baron Kuffner einen neuen Gefährten, den sie 1934 heiratete. Als sich Ende der 1930er Jahre abzeichnete, dass es einen weiteren Krieg geben würde, beschlossen die Kuffners nach Amerika zu emigrieren. Dort zog es sie zunächst an die Westküste, ins mondäne Beverly Hills. Tamara versuchte an alte Erfolge anzuknüpfen und lud regelmäßig die Prominenz Hollywoods zu ausschweifenden Parties ein, doch das Interesse an ihrer Kunst, die sich stilistisch vom Art Déco nicht weiterentwickelt hatte, schien in den 1940er Jahren zu schwinden. Von der Westküste zogen die Kuffners schließlich nach New York. Tamara machte sich daran, ihr Repertoire zu erweitern, und malte in den 1950er Jahren vermehrt Stillleben und Abstraktes, auch ältere Gemälde von sich versuchte sie umzuarbeiten oder neue Versionen davon zu erschaffen, doch nichts brachte ihr die alte Popularität der 20er und 30er Jahre mehr zurück. Nach dem Tod ihres Mannes 1961 zog Tamara nach Texas, wo sie sich vermehrt um ihre Tochter und ihre Enkelinnen kümmerte. Ihren Lebensabend verbrachte sie in Cuernavaca in Mexiko, wo sie schließlich 1980 starb. Ihrem letzten Wunsch nach wurde ihre Asche um den Vulkan Popocatépetl herum verstreut.


Tamara de Lempicka war zweifelsohne eine außergewöhnliche Frau und Künstlerin. Frei von Konventionen und Kompromissen schaffte sie Gemälde, die heute wie keine anderen den Geist und die Ästhetik des Art Déco der 1920er und 1930er Jahren widerspiegeln. Doch Kunst hörte für Tamara nicht mit dem Malen von Bildern auf, sie selbst war ein Kunstwerk, das immer wieder neu von ihr geschaffen wurde. Selbstinszenierung und Hedonismus waren stets die treibenden Kräfte in ihrem Leben. Sie gefiel sich in der Rolle der mysteriösen Femme Fatale und Self-Made-Woman, die andere in Staunen versetzen wollte, sei es durch dramatische und auch skandalöse Auftritte (ihre Parties in Paris mit leicht bekleideten Damen, auf deren Körper das Essen angerichtet wurde, waren legendär) oder auch durch die vielen verschiedenen Versionen ihres Werdegangs, die sie je nach Stimmung erzählte. Tamara ist und bleibt eine schillernde Figur, ambivalent, egoistisch, ästhetisch, sinnlich und sicherlich einzigartig.



Ihre Marleen Tigersee

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