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3 legendäre Athletinnen der 20er Jahre

  • Marleen Tigersee
  • Aug 31
  • 7 min read

Updated: Sep 2

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Verehrtes Publikum,


gehören Sie auch zu denjenigen, die sich in den Sommermonaten gerne ins kühle Nass stürzen, mit dem Drahtesel eine flotte Tour über Land unternehmen oder sogar ein gewagtes Duell auf dem Tennisplatz bestreiten? Wenn Sie an einer oder oder mehreren Stellen innerlich „hier, hier!“ gerufen haben, wird mein Artikel für diesen Monat nach Ihrem Gusto sein! Ich möchte Ihnen drei faszinierende Sportlerinnen aus den 20er Jahren vorstellen, die in ihren Disziplinen Rekorde gebrochen und für Furore gesorgt haben. Für alle, die es im Sommer eher geruhsam angehen lassen: Vielleicht finden Sie sich nach der Lektüre zu neuen sportlichen Abenteuern inspiriert! In jedem Fall wünsche ich Ihnen wie immer viel Vergnügen!



Suzanne Lenglen – die Tennisspielerin, die Rekorde und Konventionen brach



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Geboren wird Suzanne 1899 in eine wohlhabende Pariser Familie. Ihr Vater Charles ist begeistert von der um die Jahrhundertwende immer größer werdenden Sportbewegung. Schon früh bekommt Suzanne Unterricht in Turnen, klassischem Tanz, Schwimmen, Radfahren und Diabolo. Als Charles schließlich das Tennis entdeckt, damals ein Sport, der vor allem von der englischen Upperclass ausgeübt wird, ist er Feuer und Flamme. So sehr, dass er sich kurzerhand einen eigenen Tennisplatz auf seinem Grundstück bauen lässt und einen ehrgeizigen Plan fasst: Suzanne soll professionelle Tennisspielerin werden. Um das zu erreichen, scheut Papa Lenglen weder Kosten noch Mühen. Er studiert die Bewegungen anderer Spieler und stellt anhand dieser Beobachtungen seine eigene Trainingsmethode auf, die Elemente aus Tanz, Boxen und Leichtathletik beinhaltet. Suzanne kriegt außerdem ausschließlich männliche Sparringpartner, da ihr Vater weibliche für zu defensiv hält, um sie ausreichend zu fordern. Die Bemühungen tragen bald Früchte und so gelingt es der jungen Französin 1914 bereits ihren ersten Weltmeistertitel zu holen, mit nur 15 Jahren!



Suzanne Lenglen eingekleidet von Designer Jean Patou
Suzanne Lenglen eingekleidet von Designer Jean Patou

Die Presse ist begeistert und schnell lernt Suzanne dies für sich zu nutzen. Während ihre Tenniskarriere nach dem ersten Weltkrieg weiter steil an Fahrt aufnimmt, arbeitet sie parallel daran, sich bestmöglich in der Rolle der Star-Athletin zu vermarkten. Sie kann sich schon in jungen Jahren eloquent in französisch und englisch ausdrücken, verfasst Artikel für Zeitungen und sogar ein eigenes Buch. Modedesigner Jean Patou entwirft eine Sport-Modelinie und stattet sie exklusiv damit aus, was sich auch auf ihre Auftritte bei Turnieren auswirkt. Den Tennisplatz betritt Die Göttliche oder die Diana des Tennis, wie sie inzwischen von der Presse genannt wird, gerne im weißen Pelzmantel, darunter trägt sie skandalöserweise ein Sportdress ohne Ärmel und mit einem nur knielangen Rock, der bei ihren schwungvollen Bewegungen durchaus mehr Bein zeigt als es bisher als sittlich galt. Ein Korsett trägt sie nicht darunter, alles zum Wohle der Bewegungsfreiheit, und der Erfolg gibt ihr Recht. Zwischen 1919 und 1926 kann sie unter anderem 25 Grand-Slam-Titel, 15 Siege in Wimbledon und 3 olympische Medaillen verzeichnen. Doch lange kann Suzanne dieses Tempo nicht durchhalten und so muss sie sich Ende der 20er Jahre vom aktiven Sport zurückziehen. Immer wieder hat sie mit Schwächeanfällen und Asthma (worunter sie seit ihrer Kindheit leidet) zu kämpfen. Ihr hoher Alkoholkonsum und ausschweifender Lebensstil helfen nicht dabei, diesen Zustand zu verbessern. 1938 stirbt die Göttliche überraschend mit nur 39 Jahren an Leukämie*.




Alfonsina Strada – die Rebellin auf dem Rennrad schreibt Geschichte



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Der Lebensweg der Italienerin Alfonsina Strada, geboren Morini, könnte nicht gegensätzlicher zu dem von Suzanne Lenglen sein. Geboren 1891 im ländlichen Castelfranco Emilia wächst sie in äußerst bescheidenen Verhältnissen in einer kinderreichen Familie auf. Der Vater ist Tagelöhner, die Mutter Amme, der Alltag ist geprägt von harter Arbeit, Krankheiten und Entbehrungen. Viele Geschwister und Pflegekinder erreichen das Erwachsenenalter nicht. Alfonsina kann nur zwei Jahre zur Schule gehen, danach muss sie eine Schneiderlehre machen, um Geld für die Familie zu verdienen. Als der Vater eines Tages mit einem alten, klapprigen Fahrrad nach Hause kommt, das er, in der Hoffnung so in weiterem Umkreis nach Arbeit zu suchen, erstanden hat, lässt Alfonsina dies nicht mehr los. Für sie verkörpert das Fahrrad Freiheit und Unabhängigkeit. Trotz Verbot schleicht sie sich nachts aus dem Haus und bringt sich selbst das Fahrradfahren bei. Alfonsina kann ihren Vater nach einiger Zeit sogar dazu überreden, ihr das Fahrrad zu überlassen, um eine Stelle als Näherin in Bologna anzunehmen, da es ihm selbst nicht gelungen ist, damit die finanzielle Situation der Familie zu verbessern.


Alfonsina Strada bei einem Geschwindigkeitsrekordversuch auf einer Walze 1938
Alfonsina Strada bei einem Geschwindigkeitsrekordversuch auf einer Walze 1938

Im Montagnola-Park in Bologna kommt sie zum ersten Mal mit Radrennfahrern in Kontakt, die dort ihre Runden drehen und bald verbringt sie ihre Mittagspausen damit, ebenfalls dort zu trainieren. Da Radrennen viel Popularität in Italien genießen und es meist Geld oder Lebensmittel zu gewinnen gibt, beginnt Alfonsina noch im Teenageralter an solchen Rennen teilzunehmen, sehr zum Missfallen der anderen Radfahrer, dem Publikum oder ihrer Familie. Denn Fahrradfahren ist Männersache, so der herrschende Konsens. Alfonsina hat außerdem schon früh ihre langen Haare abgeschnitten und trägt kurze Hose, wenn sie Rennen fährt, ein echter Skandal Anfang des 20. Jahrhunderts! Schnell hat sie Spitznamen wie Die Irre oder Der Teufel im Rock weg, Zuschauer beschimpfen sie als Flittchen und Mitstreiter versuchen sie zu stören. Doch Alfonsina lässt sich nicht beirren und gewinnt immer wieder gegen ihre männliche Konkurrenz. 1915 heiratet sie den Graveur Luigi Strada, der ihr zur Hochzeit ein Fahrrad schenkt und sie in ihrem Vorhaben, professionelle Radrennfahrerin zu werden, unterstützt. In den Folgejahren fährt sie Rennen in Bologna und Paris, nimmt zweimal beim Giro de Lombardia teil und stellt Geschwindigkeitsrekorde auf. Ihr größter Triumph wird jedoch ihre Teilnahme am weltberühmten Giro d'Italia 1924. Das sonst sehr exklusive Rennen wurde in diesem Jahr einmalig für andere Interessenten geöffnet, da im Vorfeld die Radrenngrößen der Zeit aus Protest wegen zu niedriger Gagen nicht antreten wollten. Alfonsina lässt sich diese Gelegenheit nicht entgehen und startet am 10. Mai zusammen mit 89 anderen Radfahrern das Rennen, das 3.613 Kilometer in 12 Etappen umfasst. Trotz größter körperlicher Strapazen, schlechter Straßen- und Wetterverhältnisse, Stürze und Verletzungen beendet Alfonsina als erste und bisher einzige Frau den Giro, zwar außerhalb des Zeitlimits, aber vor mehr als 50 männlichen Konkurrenten, die frühzeitig ausgestiegen waren. Ihre Leistung wird als Sensation in den Zeitungen gefeiert und Alfonsina bekommt auch unter ihren Radsportkollegen endlich die verdiente Anerkennung. Ihre späteren Jahre verbringt die Königin der Tretkurbel (wie sie häufig genannt wird) als Betreiberin eines Fahrradladens in Mailand. Sie stirbt 1959 im Alter von 68 Jahren an einem Herzinfarkt.


Wandgemälde zu Ehren von Alfonsina Strada auf einem Radweg entlang des Po von Boretto
Wandgemälde zu Ehren von Alfonsina Strada auf einem Radweg entlang des Po von Boretto



Gertrude Ederle – die erste Frau, die den Ärmelkanal durchschwamm



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Als drittes von sechs Kindern deutscher Auswanderer kommt Gertrude „Trudy“ Ederle 1905 in New York City zu Welt. Die Eltern betreiben derart erfolgreich eine Metzgerei mit deutschen Spezialitäten, dass sich die Familie ein Ferienhaus in den Atlanic Heights in New Jersey direkt am Meer leisten kann. Besonders die drei Töchter sind begeistert vom Wasser und lernen bereits im Kindesalter das Schwimmen, was durchaus nicht der damaligen Norm entsprach. Frühe Schwimmpionierinnen wie die Australierin Annette Kellerman sorgten jedoch für ein ansteigendes Interesse für den Schwimmsport bei Frauen und Mädchen. Kellerman hatte Anfang des 20. Jahrhunderts einen figurbetonten, einteiligen Badeanzug populär gemacht, der zunächst als skandalös empfunden wurde und sogar Verhaftungen und Gerichtsprozesse auslöste. Doch war dieser Badeanzug eine kleine Revolution, da er wesentlich mehr Bewegungsfreiheit als die davor übliche Schwimmkleidung, die aus Wollstrümpfen und langen Röcken bestanden hatte, ermöglichte. Durch die Gründung der Women’s Swimming Association 1917 wurden noch mehr Frauen und Mädchen vom Schwimmfieber angesteckt und bald schon wurden regelmäßig Schwimmwettkämpfe für Damen ausgetragen. Auch die Ederle-Schwestern werden Mitglieder der WSA und nehmen an Schwimmwettbewerben teil. Besonders Trudy kann sich hier hervortun und bereits im Alter von 14 Jahren erste Wettkampferfolge verbuchen. Von Vorteil erweist sich der noch recht neue Kraul-Stil, den ihr Trainer Louis de Breda Handley, ehemaliger Profi-Schwimmer und Olympia-Sieger, beibringt. Sie wird so gut, dass sie 1924 selbst bei den Olympischen Spielen antritt und Medaillen mit nach Hause bringt.


Bademode zwischen 1875-1927
Bademode zwischen 1875-1927


Doch nur bei Meisterschaften teilzunehmen reicht Trudy bald nicht mehr aus. Sie hat einen neuen ehrgeizigen Traum: Als erste Frau den Ärmelkanal zu durchschwimmen. Kein leichtes Unterfangen, denn seitdem es Matthew Webb 1875 das erste Mal überhaupt gelungen war, haben es nur wenige andere geschafft. Diese Tatsache und auch die schwierigen Wetterverhältnisse, die niedrigen Temperaturen des Wassers, das selbst im Sommer kaum mehr als 17 Grad warm wird, halten Trudy aber nicht davon ab und so tritt sie bereits ein Jahr später unter großer Aufmerksamkeit von Presse und Zuschauern den ersten Versuch an. Sie wird jedoch nach ein paar Stunden zum Abbruch gezwungen. Ihr Trainer, der selbst 22 Mal erfolglos versucht hatte den Ärmelkanal zu durchschwimmen, lässt sie gegen ihren Willen von Helfern aus dem Wasser ziehen, da er einen Erschöpfungsanfall bei ihr vermutet.


Nachdem Trudy die Enttäuschung über den ersten gescheiterten Versuch überwunden hat, möchte sie es ein Jahr später gleich nochmal probieren, dieses Mal mit einem anderen Trainer und zusammen mit ihrer Schwester, die ihre größte Unterstützerin ist. Am 6. August 1926 um 07:09 steigt Trudy in die Fluten. Ihren Körper hat sie mit einer dicken Schicht aus Olivenöl, Lanolin und Schweineschmalz eingerieben, um sich vor Austrocknung, Kälte und Quallen zu schützen. Auf dem Beiboot fahren ihre Schwester und ihr Vater mit, die immer wieder Plakate mit unterstützenden Worten für sie hochhalten und ihre Lieblingslieder auf dem Grammophon spielen. Das noch am Start angenehme Wetter wandelt sich bald, es wird regnerisch, stürmisch und nebelig, was sie zu einer längeren Strecke für die Kanaldurchquerung zwingt, um gefährlichen Klippen aus dem Weg zu gehen. Unterwegs wird sie außerdem von Treibgut, Müll und Quallen gestört, doch auf die Frage ihrer sich sorgenden Familie, ob sie aufhören möchte, antwortet sie nur „What for?“ - ein Satz, der sie berühmt machen wird. Um 21:40 kommt sie schließlich am anderen Ufer an und wird von einer großen Menschenmenge jubelnd empfangen. 14 Stunden und 31 Minuten hat sie für die Durchquerung gebraucht, mehr als 2 Stunden schneller als der schnellste Mann vor ihr. Als sie ein paar Wochen später nach einer großen Tournee durch Europa wieder in New York City ankommt, erwartet sie eine riesige Parade zu ihren Ehren. Über zwei Millionen Menschen kommen, um die Queen of the Waves zu feiern.




Trudy Ederle wird als Queen of the Waves in ihrer Heimatstadt New York gefeiert
Trudy Ederle wird als Queen of the Waves in ihrer Heimatstadt New York gefeiert


Nach ihrem großen Triumph bekommt Trudy viele Ehrungen und Preise, auch wird ihre Geschichte 1927 bereits verfilmt, dennoch bleibt ein dauerhafter Erfolg aus. Bald schon durchquert eine weitere Frau den Ärmelkanal (als erste Mutter), zudem verschlechtert sich ihr Gehör immer weiter, ein Problem, das sie schon seit Kindheit an begleitet. Sie zieht sich daraufhin aus der Öffentlichkeit zurück und wird nur noch sporadisch an Schwimmveranstaltungen teilnehmen. Trotz einiger weiterer privater Rückschläge wird Trudy immer ein positiver Mensch bleiben und stets mit Dankbarkeit auf ihr ungewöhnliches Leben zurückblicken. Sie stirbt im hohen Alter von 98 Jahren.






Liebes Publikum,


ich hoffe, Sie hatten Freude an den Geschichten dieser drei faszinierenden Sportlerinnen, die wirklich Außergewöhnliches für Ihre Zeit geleistet haben, sei es auf dem Tennisplatz, dem Fahrrad oder im Wasser. Vielleicht haben Sie nun ebenfalls Lust, sich sportlich zu betätigen, wenn dem so ist, dann wünsche ich viel Spaß!


Ihre Marleen Tigersee
















* andere Quellen führen perniziöse Anämie als Todesursache auf, genau geklärt ist dies bis heute nicht.



Verwendete Literatur:


Jean-Christophe Piffaut: Et la femme créa le Tennis moderne, Paris 2023

Simona Baldelli: Die Rebellion der Alfonsina Strada, Köln 2022 (deutsche Übersetzung, Original in italienischer Sprache)

Anne-Kathrin Kilg-Meyer: Getrude Trudy Ederle, Eine Schwimmerin verändert die Welt, Kellinghusen 2020






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